Dr. Margarita Seiwald - Die Macht der Psyche
Dr. Margarita Seiwald
Ärztin für Psychiatrie
Seit dem Jahr 2006 arbeitet Dr. Seiwald Margarita mit Menschen, die unter psychischen Problemen leiden. Als Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin ist sie Teil des psychiatrischen Ärzteteams des Kardinal Schwarzenberg Klinikums. Seit drei Jahren ist sie für die therapeutische und organisatorische Leitung der auf der Sonnenterasse St.Veit im Pongau gelegenene psychiatrischen Reha verantwortlich und arbeitet dort schwerpunktmäßig mit Menschen, die - oft verursacht durch eine Überlastung am Arbeitsplatz - an schweren psychovegetativen Erschöpfungszuständen leiden. Gemeinsam mit ihrem Mann Franz und ihren vier Kindern lebt und liebt sie in Flachau.
Für den Start in die die diesjährige Vortragsreihe ging es gleich um ein äußerst spannendes Thema, das in den letzten Jahren noch deutlich mehr an Relevanz gewonnen hat: Die Psyche. Als ausgesprochene Spezialistin in diesem Bereich hatten wir Dr. Margarita Seiwald zu Gast.
Bedeutung der Psychotherapie
Dr. Seiwald schilderte gleich zu Beginn, dass Sie als Ärztin tagtäglich mit Menschen arbeitet, die an schweren psychovegetativen Erschöpfungszuständen leiden. Oft haben diese Menschen zu dem Zeitpunkt schon ihren Job verloren und Beziehungen sind kaputt gegangen. Deshalb ist es Dr. Seiwald so wichtig mehr Wissen rund um das Thema Psyche und psychische Erkrankungen zu vermitteln.
Dass psychische Probleme kein Einzelproblem sind, veranschaulichte Dr. Seiwald mit ein paar erschreckenden Zahlen. So waren bereits 2011 bereits 900.000 Menschen in Österreich wegen psychischen Erkrankungen in Behandlung. Bei ganzen 70.000 ging das mit einem stationären Aufenthalt einher. Gleichzeitig wissen wir, dass die physische Belastung über die letzten Jahre nochmal deutlich gestiegen ist, wobei auch Ärzte dem Thema immer mehr Beachtung schenken.
Was ist die Psyche?
Nach der Einführung veranschaulichte die Vortragende was wir gemeinhin unter dem Wort „Psyche“ verstehen. Mediziner sprechen in erster Linie vom limbischen System, welches in sich und auch mit dem Gehirn eng vernetzt ist. Das limbische System ist im Gehirn tief verankert und kann auch nicht bewusst gesteuert werden, steuert aber unmittelbar unsere Gefühle und unser Verhalten. So steuert z.B. die Amygdala wie wir mit Gefahren und Ängsten umgehen. Ob wir eine Spinne einsammeln und sie interessiert beobachten oder vor Angst auf den nächstgelegenen Stuhl springen und um Hilfe schreien.
Die Psyche nimmt folgende Aufgaben wahr:
- Regulation von Gefühlszuständen
- Schaltzentrum für Aufmerksamkeit, Lernen & Gedächtnis
- Atmung, Schlaf-Wachrhythmus, Motivation
So können Schlaf- oder Konzentrationsstörungen auch auf psychische Belastungen hinweisen. Im Umkehrschluss leiden fast alle Menschen mit psychischen Erkrankungen auch an Schlafproblemen.
In einer interaktiven Umfrage während des Livestreams fragte Dr. Seiwald „Wie gut kannst du dich in letzter Zeit konzentrieren“ und bekam folgendes interessantes Ergebnis:
Regulation von Gefühlszuständen
Eine wesentliche Aufgabe der Psyche ist die Regulation von Gefühlszuständen. Dr. Seiwald definiert ein Gefühl als ein
„Hinweis auf die Bedeutung einer Situation oder einer Person auf mich“
Damit sind Gefühle immer subjektiv und wie wir auf eine Situation reagieren hat mit unserer Genetik, aber auch mit unserer Biografie, zu tun. Das bedeutet nicht, dass es nicht wichtig ist oder gar lächerlich ist. Es ist wichtig das zu verstehen, um Gefühle nicht zu ignorieren oder stets wegzuschieben,. Denn dann besteht die Gefahr, dass es irgendwann zu einer überschießenden Reaktion kommt. Diese wiederum können Ursache für zwischenmenschliche Belastungen sein.
Gefühle können adäquat oder inadäquat sein. Adäquat etwa, wenn einen Angst davor schützt unter Haien schwimmen zu gehen. Inadäquat, wenn Menschen davor Angst haben unter Tags spazieren zu gehen. Dr. Seiwald definiert adäquate Gefühle als solche, die uns ins Leben bringen und inadäquate als solche, die uns am Lebensvollzug behindern.
Es gibt Menschen, die nur nach ihrem Verstand leben und alles was mit Emotionen zu tun hat belächeln und abwerten. Das führt irgendwann dazu, dass ein emotionaler Zustand zur völligen Überforderung führen kann. Auf der anderen Seite gibt es eine Gruppe, die nur nach den Emotionen lebt und glaubt, man kann das ganze Leben nur nach dem Gefühl gehen. In Wahrheit ist wie so oft ein Mittelweg der beste. In der Existenzanalyse spricht man von der „inneren Stimmigkeit“. Zu dieser kommt es, wenn man Gefühle wahr- und ernst nimmt, den Verstand und zusätzlich das Gewissen dazu nimmt. Wenn man dieses miteinander kombiniert kommt es zum Gefühl der inneren Stimmigkeit.
Und obwohl Gefühle subjektiv und individuell sind, ist es wichtig, dass sie ernst genommen werden.
Psychische Belastungen und Coping
Zusätzlich zeichnete Dr. Seiwald ein Bild unserer Psyche, mit Bereichen und Bedürfnissen (z.B. Bindung, Automomie, etc.), wo wir emotional gesättigt sind. Treffen uns in diesen Bereichen Herausforderungen, so können wir emotional ruhig bleiben gut und adäquat mit ihnen umgehen.
Neben diesen Bereichen, gibt es stets auch Bereiche, wo wir emotionale Defizite erlebt haben. Wenn es in diesen Bereichen zu Herausforderungen kommt, dann reagierten wir viel stärker. Stoßen wir in einem Bereich auf Herausforderungen und Belastungen, die wir nicht leicht bewältigen können, dann entwickeln wir ein sogenanntes „Coping“. Copings sind Bewältigungsstrategien, die uns helfen schwierige Situationen zu bewältigen und damit auch etwas Gutes und Wichtiges, da sie uns schützen können.
Später im Leben und auf andere Situationen angewandt können Copings auch dazu führen, dass wir gehindert werden oder zusätzlich leiden müssen. Als Beispiel brachte Dr. Seiwald eine Frau, die sich als Kind die Copingstrategie des Rückzugs zugelegt hatte und nun im Job Opfer von Mobbing wird, da sie sich nicht dagegen wehrt und das Mobbing über sich ergehen lässt. Wenn Gefühle nicht aufgearbeitet und im emotionalen Gedächtnis gespeichert werden, kann dies zu Problemen führen. Denn wenn sie später durch ein Erlebnis getriggert werden und es dann zu einer viel stärkeren Reaktion kommt, als es dem Anlass entsprechen würde.
Um dieses Wiederaufkommen von altem Erlebtem zu veranschaulichen hat Dr. Seiwald einen Begriff kreiert, das sogenannte „Dejá-Fühl“. Ein Gefühl also, dass ich schon kenne und dann eine Reaktion auslöst. Die Spezialisten sprechen in diesem Zusammenhang auch vom „inneren Kind“. Das ist der Grund, warum wir laut Dr. Seiwald nicht das Vergangene hinter uns lassen und nur zukunftsorientiert leben können. „Wir können unser Geworden sein nicht an den Haken hängen, sondern tragen es immer mit uns.“
Wir mögen diese Bereiche nicht und versuchen sie loszuwerden. Das ist der Bereich, wo die Psychotherapie ins Spiel kommt. Alte Wunden uns Gefühle werden adressiert und aufgearbeitet.
Wie können Ärzte psychische Belastungen messen?
In weitere Folge erklärte Dr. Seiwald, dass es mittlerweile gute Methoden gibt um psychische Belastungen auch objektiv sichtbar machen zu können.
Über ein Funktionelles MRT kann man die Hirndurchblutung und -aktivität darstellen. Darüber lässt sich sehen, dass zum Beispiel Patienten mit ADHS oder Schizophrenie bei bestimmten Aufgabenstellungen ganz andere Gehirnregionen aktivieren.
Ein anderes Mittel um psychische Belastungen darzustellen ist die Messung der Herzfrequenzvariabilität. Die HRV misst die Variabilität zwischen den einzelnen Herzschlägen, wobei eine hohe Variabilität ein gutes Signal ist. Bei Patienten mit schwerer Erschöpfungsdepression ist die HRV viel niedriger.
Wirkung der Psyche auf den Körper
Wie die Psyche auf den Körper wirkt veranschaulichte die Vortragende am Beispiel der Wut. Die meisten Menschen kennen das Gefühl der Wut und können dabei gut eine körperliche Veränderung, etwa ein Ansteigen des Pulses, wahrnehmen. Alles gesteuert nur über das vegetative Nervensystem, ohne dass es einen physischen Grund dafür gäbe.
Alle Gefühle nehmen wir körperlich wahr und es gibt 3 Möglichkeiten wie die Psyche auf den Körper wirkt:
- Vegetatives Nervensystem. Jenes, welches wir willentlich nicht beeinflussen können. Einzig die Lunge ist auch vegetativ gesteuert und kann willentlich über die Atmung beeinflusst werden. Deshalb können wir über gezielte Atmung beruhigend auf das vegetative Nervensystem einwirken.
- Hormone. Das vegetative Nervensystem wird durch Hormone gesteuert. Stress und Überforderung führen zur Ausschüttung des zu Stresshormons Cortisol, dessen Gegenspieler das Melatonin (Schlafhormon) ist. Ein zu hoher Level an Cortisol kann zu Schlafstörungen, Heißhunger Attacken, Gewichtszunahmen und Infekten führen. Cortisol kann über Bewegung im aeroben Bereich gesenkt werden.
- Immunsystem. Auch Immunsystem und Psyche sind eng miteinander verbunden. Bei auftretendem psychosozialem Stress kann man innerhalb von 5min nachweisen, dass die T-Helferzellen an Anzahl und Aktivität abnehmen.
Frühwarnsymptome
Es gibt Frühwarnsysteme für jede psychische Belastung. Wenn eines oder mehrere dieser Symptome auftreten, dann sollte man das zum Anlass zu nehmen genauer hinzuschauen und sich nicht zu scheuen Hilfe zu suchen. Natürlich kann es auch andere Ursachen für diese Symptome geben, weshalb zuerst eine körperliche Abklärung wichtig ist.
- Ein- oder Durchschlafstörung
- Sozialer Rückzug
- Substanzmissbrauch
- Zunehmende Gereiztheit
- Emotionale Verflachung
10 Schritte zu psychischer Gesundheit
Zum Abschluss ihres Vortrags gab Dr. Seiwald noch 10 Tipps mit, die uns helfen die Psyche zu schützen.
- Sich selbst annehmen
- Aktiv bleiben
- (mit Freunden) in Kontakt bleiben
- Neues lernen
- Darüber reden
- Um Hilfe fragen
- Etwas Kreatives tun
- Sich entspannen
- Sich beteiligen
- Sich nicht aufgeben
Die Aufzeichnung des gesamten Vortrags inklusive der Q&A Session steht den Windhund 365 Kunden auf der Plattform 30 Tage lang zur Verfügung.
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- Dr. Margarita Seiwald - Die Macht der Psyche
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- Dr. Manuel Schabus - Neues aus der Schlafforschung
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