Dr. Manuel Schabus - Neues aus der Schlafforschung

Univ.-Prof. Dr. Manuel Schabus

Schlafforscher

Manuel Schabus ist Neuroswissenschaftler, Psychotherapeut, Psychologe und Schlafforscher an der Universität Salzburg. Im Detail beschäftigt er sich mit der Gehirnforschung und Bewusstseinserfahrungen. Aktuell arbeitet er zudem an eHealth-Lösungen, die das Schlaflabor nach Hause bringen, speziell für unzufriedene Schläfer & Insomnie-Patient*innen.

Dr. Manuel Schabus ist an der Universität Salzburg als einer der führenden Schlafforscher Europas tätig. Zudem ist er Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Psychologe. Sein Fokus in der Forschung liegt auf der Gehirnforschung und Bewusstseinserfahrungen. Aktuell arbeitet er außerdem an eHealth-Lösungen, die das Schlaflabor nach Hause bringen.

Im Vortrag widmet er sich neuen und spannenden Entwicklungen in der Schlafforschung. Vom "Lernen im Schlaf", der Frage, was das schlafende Gehirn in völliger Unbewusstheit alles wahrnehmen und lernen kann, über schlechten Schlaf und speziell der Frage, wie die Schlaflosigkeit (Insomnie) auch ohne Medikamente behandelt werden kann, bis zur Frage, wie aktuelle eHealth Lösungen für schlaflose Nächte aussehen können, wird alles behandelt.

Wie schläft Österreich?

Seit 2007 ist eine massive Zunahme an Schlafproblemen zu verzeichnen. Einschlafprobleme haben sich verfünffacht, 30 % der Menschen haben Einschlaf-, 51 % Durchschlafprobleme. Dabei nehmen nur 16 % medizinische Hilfe in Anspruch. Schlafmedikamente sind jedoch ohnehin nur für Akutfälle und für einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochen gedacht und stellen keine langfristige Lösung dar, weil sie das Gehirn lediglich betäuben.

Nur 31 % der Menschen berichten hingegen, dass sie „gute“ Schläfer seien. Was sind also die Ursachen für eine derartige schlechte Statistik? Zwei Diagnosen, die am häufigsten verantwortlich für einen schlechten Schlaf sind, sind Insomnie und Schlafapnoe.

Insomnie:

Insomnie ist die „Schlaflosigkeit“ durch Ein- oder Durchschlafprobleme, die mindestens dreimal pro Woche über ein Monat hinweg auftreten. Durch diese Schlafprobleme ergeben sich Tagesbeeinträchtigungen, welche als sicheres Zeichen gelten und eine klinische Behandlung erfordern.

Schlafapnoe:

Schlafapnoe zeichnet sich durch klassisches Schnarchen aus, mit dem Unterschied, dass eine Art von „Luftschnappen“ damit einhergeht, welches durch Sauerstoffentzug entsteht. Betroffene haben mehrere kurze Atemstillstände im Schlaf und werden durch diese regelmäßig geweckt. Weil das Gehirn zu wenig Sauerstoff erhält, wird es langfristig geschädigt. Die häufigste Form ist die obstruktive Apnoe, die vorwiegend bei Übergewicht, Alkoholkonsum vor dem Schlafen und Liegen am Rücken, in Zahlen nämlich bei 20-40% der Menschen ab 40 Jahren auftritt.

 

Auswirkungen

Die Auswirkungen von schlechtem und mangelndem Schlaf sind vielfältig und nicht zu unterschätzen.

  • Psychische und somatische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen
  • Schwächung des Immunsystems, mit der ein dreimal höheres Risiko für Infektionen und Erkrankungen einhergeht
  • Erhöhung des Schlaganfallrisikos um 54 % (vor allem bei unbehandelter Apnoe)
  • Beeinträchtigung der Konzentrations- und Gedächtnisleistung
    - um 13 % verringerte Arbeitsleistung
    - 5 Tage mehr Krankenstand
    - 3x häufigere Arbeitsunfälle
    - 24-42 % exzessive Tagesmüdigkeit (tlw. sogar Einschlafen in der Arbeit)
    Der präfrontale Cortex benötigt am meisten Schlaf und ist daher auch das Hirnareal, das zuerst einschläft. Bei starkem Schlafmangel können keine komplexen Aufgaben mehr gelöst werden, weil dieser Bereich im Begriff ist einzuschlafen.
  • Verringerte Lebensqualität durch Verzicht auf soziale Aktivitäten, um Schlaf nachzuholen

Messung von Schlaf

Tatsächlich würden 65% Genauigkeit der Ratewahrscheinlichkeit entsprechen, weil dieser Prozentsatz unseres Schlafes Leichtschlaf ausmacht. Smartwatches sind kein besonders zuverlässiges Instrument, um die Qualität des Schlafs abzubilden.

Welche Möglichkeiten gibt es dann, den Schlaf zu messen? Mittels der Polysomnografie im Labor kann der Schlaf klassifiziert und analysiert werden. Dabei werden drei Parameter, nämlich unsere Gehirnwellen, Augenbewegungen und Muskelaktivitäten berücksichtigt.

Aber auch künstliche Intelligenz kann uns helfen, den Schlaf zu messen. Smart Watches funktionieren allerdings sehr eingeschränkt, weil sich das Handgelenk, an dem die Messungen vorgenommen werden, relativ weit vom Herzen befindet, wodurch es zu recht ungenauen Messungen kommt. Besser geeignet seien hingegen Oberarm- oder Brustgurte.
 

Stadien des Schlafs

Unser Schlaf besteht im Wesentlichen aus vier Phasen.

  • Leichtschlafstadium; auch Kernschlaf genannt
  • Tiefschlaf zur Regeneration und Erholung von Körper und Geist
  • REM-Schlaf = Rapid-Eye-Movement-Schlaf, weil sich unsere Augen in dieser Phase viel hin und her bewegen; dies ist die Traumphase, die sich durch eine hohe Aktivität des Gehirns auszeichnet
  • Wachphasen: auch unbewusst wachen wir mehrmals in der Nacht auf

Normalerweise sind die ersten 2 bis 3 Stunden unseres Schlafs Tiefschlaf, die letzten Stunden Traumschlaf.

Funktionen des Schlafs

Die Funktion des Schlafs ist bei Weitem nicht nur die Erholung. Schlaf kann viel mehr und das sollte uns auch seine Relevanz verdeutlichen.

  • Entwicklung: Schlaf ist kein passives Phänomen, sondern ein aktiver Prozess. Babys bspw. schlafen viel, weil ihr Gehirn nachreifen muss, indem sie träumen und keinen neuen Außenreiz verarbeiten, sondern eben das, was sie tagsüber erlebt haben. Während der REM-Schlaf bei Erwachsenen etwa 15-20 % des Gesamtschlafes ausmacht, sind es bei Babys ganze 50 %.
  • Informationsverarbeitung: Informationen werden im Schlaf nochmals durchgegangen und mit bereits erfahrenen Informationen in Verbindung gebracht. Nächsten Morgen werden Sie bspw. besser über diesen Vortrag Bescheid wissen als unmittelbar danach.
  • Regenration im Tiefschlaf
  • Emotionale Verarbeitung und motorisches sowie prozedurales Lernen im REM-Schlaf: wir träumen über Tätigkeiten, sodass sie in unserem Gehirn abgespeichert und automatisiert werden.
  • Gedächtniskonservierung und Regeneration über die ganze Nacht hinweg im Leichtschlaf, der auch als Kernschlaf gilt und 65 % des Gesamtschlafes ausmacht. Auch bei Power-Naps ist diese Phase vorwiegend.
  • „Müllabfuhr“ des Gehirns: das Glymphatische System entsorgt über Nacht unnötigen Ballast und führt Stoffwechselprodukte ab. Bei Schlafmangel hingegen befindet sich das Gehirn in einer Flüssigkeit, die mit Toxinen behaftet ist, wodurch auch ein Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen naheliegt. Bereits eine Nacht Schlafentzug beeinträchtigt die „molekulare Clearance“ und kann nicht durch Nachholen des Schlafs kompensiert werden.

Wie viel Schlaf braucht der Mensch?

Die Antwort lautet 7 bis 9 Stunden. Daraus ergibt sich, dass wir mindestens 7h 30 min im Bett liegen sollten, weil wir nicht die volle Zeit davon schlafen. Die durchschnittliche Schlafdauer in Österreich liegt jedoch nur bei etwa 6,7h. Schläft man am Wochenende deutlich länger, ist das ein klares Anzeichen für einen erhöhten Schlafdruck und -mangel. 

Die Auswirkungen davon sind bereits oben aufgelistet. Ein etwas überzogenes Zitat bringt jedoch deutlich zum Ausdruck, wozu Schlafmangel führt: „Zu wenig Schlaf macht dumm, dick und krank.“ Denn unsere Gedächtnisleistung wird so sehr beeinträchtigt, dass unsere Reaktionsfähigkeit bei zwei aufeinanderfolgenden Nächten mit unter 6h Schlaf dieselbe wie mit 0,5% Alkoholeinfluss ist. Zudem sind Stoffwechselprobleme oder Adipositas häufige Folge von Schlafmangel. Allgemein leidet unser Immunsystem stark darunter. Bei einem Experiment mit einer mit einer Krankheit infizierten Ratten starben jene Tiere, die über mehrere Tage hinweg im Tiefschlaf geweckt wurden.

Unter normalen Umständen passiert das zwar beim Menschen nicht, doch verkürzt sich die Lebenszeit bei Männern bei dauerhaftem S hlafmangel durchschnittlich um 4,7, bei Frauen um 2,4 Jahre.
 

 

Wie gehen Menschen mit Schlafprobleme um?

Viele Menschen greifen bei Schlafproblemen zu Medikamenten oder nehmen das altbekannte Achterl Wein zu sich. Doch beide Substanzen betäuben das Gehirn und verhindern einen wirklich erholsamen, natürlichen Schlaf. Andere beziehen Schlaftipps aus Podcasts oder dem Internet. Hierbei stellt sich das Problem, dass viele Desinformationen ohne jegliche Wissenschafts- oder Evidenzbasis kursieren. Eine weitere Option stellt eine Analyse im Schlaflabor dar. Hier ergeben sich jedoch hohe Kosten und eine Wartezeit von 3 bis 4 Monaten, was bei akuten Fällen problematisch ist. Wer einen Termin ergattert, erhält dann trotzdem „nur“ eine Diagnose ohne konkrete Lösungsvorschläge.

Behandlungsmethode erster Wahl

Die beste Alternative zu den oben genannten Methoden bietet die kognitive Verhaltenstherapie durch Gewohnheitsveränderung mit Schlafritualen. Da aber nur wenige eine solche Therapie anbieten, sind entsprechende Apps, die einen mit Informationen beim Einüben gewisser Rituale und Verhaltensweisen unterstützen, eine gute Wahl. Wichtig ist dabei die regelmäßige und konsequente Durchführung der Übungen! Zusätzlich können eHealth-Geräte wie der bereits erwähnt Brust- oder Oberarmgurt hilfreich sein.

FAQ - Eure Fragen

Haben Sie einen Tipp, wie man morgens besser aus dem Bett kommt?

Wir tun uns oft so schwer, aus dem Bett zu kommen, weil wir aus Tiefschlaf- oder Traumschlafphasen aufwachen, in denen wir sehr tief schlafen und mit anderen Dingen beschäftigt sind. Natürlicherweise würde das nie geschehen, wenn wir nicht von einem Alarm geweckt würden. Um das zu umgehen, rate ich dazu, mehr Zeit im Bett zu verbringen, sodass wir uns morgens beim Aufwachen im Leichtschlaf befinden. Zusätzlich unterstützt einem die Zufuhr von viel Licht, weil dadurch das Schlafhormon Melatonin unterdrückt wird.

Machen Audio-Programme, bei denen mit Autosuggestion gearbeitet wird, während des Schlafens Sinn, um durchzuschlafen, abzunehmen oder allgemein für einen gesunden Lebensstil?

Grundsätzlich würde ich Nein sagen. Das funktioniert nicht, weil das Gehirn im Schlaf regeneriert. Hier braucht es eine ruhige Umgebung und kann keine neue Information verarbeiten. Der Schlaf leidet darunter und ich würde es auf keinem Fall anraten.

Ist es empfehlenswert, sich während des Schlafens den Mund abzukleben, um gezwungenermaßen durch die Nase zu atmen?

Durch die Nase zu atmen ist zwar grundsätzlich gut. Dennoch ist dies eine unübliche Haltung, wodurch der Schlaf beeinträchtigt wird und man öfter aufwacht.

Wirkt sich das „Handyschauen“ vor dem Einschlafen negativ auf den Schlaf aus bzw. hängt das auch vom Inhalt ab?

Sehr gute Frage mit gutem Zusatz. Der Inhalt ist bedeutend. Man braucht ein Zeitfenster, in dem man runterfährt. Dazu kommt noch das Blaulicht, das die Ausschüttung vom Schlafhormon Melatonin unterdrückt. Entscheidend ist aber letztendlich der Inhalt. Wenn Sie sich ein angenehmes Hörspiel anhören, ist nichts dagegen einzuwenden, etwas Aktiveres würde ich es auf keinen Fall empfehlen.

Gibt es Personen, die mit weniger als 7-9h Schlaf auskommen?

Es gibt sicher vereinzelt Personen, die mit etwas weniger auskommen. Aber auch diejenigen, die glauben, sehr wenig Schlaf zu brauchen, sind meistens nur daran gewöhnt und kennen ihren richtigen Bedarf nicht. Die Toleranz liegt vermutlich bei etwa 6,5h, aber sicher nicht darunter.

Der Oura-Ring wirbt damit, den Schlaf besonders gut tracken zu können. Können Sie eine kurze Meinung dazu abgeben?

Tatsächlich ist dieser wahrscheinlich das beste Produkt, das unter Fitnesstrackern am Markt kursiert, weil er unterschiedliche Parameter wie Temperatur, Herzschlag und Aktivität misst. Dennoch ist er weiter weg von Herzen als ein Brust- oder Oberarmgurt und dadurch weniger genau als diese.

Wie wirkt sich denn das „Snoozen“ in der Früh aus?

Wir wollen damit langsam unser Gehirn aktivieren, um aus dem Bett zu finden. Meine Empfehlung: 1 Mal für 10 Minuten ist es ok. Drückt man hingegen bspw. 4 Mal auf die Schlummertaste, so ist das Gehirn ständig auf Bereitschaft in einem sehr leichten Schlaf und man beraubt sich damit eigentlich dieser 40 Minuten Schlaf. Der Körper hat eine innere Uhr und weiß immer, wie spät es ist und wann wir aufstehen wollen.

Kann ich mir diesen Effekt auch zunutze machen, wenn ich was lernen will, indem ich es mir vor dem Einschlafen visualisiere?

Das ist vor allem für Sportler*innen interessant, wenn man den Bewegungsablauf vor dem Einschlafen nochmals durchgeht, um es dann im Gehirn nochmal durchzuspielen. Das Gehirn kann einen Fokus auf gewisse Inhalte über den Schlaf hinweg legen, sodass die Erinnerung daran am nächsten Tag besser sein wird. Gibt es zwei Vokabellisten, die Sie sich beide angesehen haben, und es sagt Ihnen jemand vor dem Schlafen, dass die eine wichtiger ist, werden Sie die Wörter dieser einen Liste am nächsten Morgen besser wiedergeben können.

Kann man auch nicht träumen?

Sie können sich eigentlich nur nicht an Träume erinnern. Wir träumen immer, es sei denn, wir haben Schlafmedikamente eingenommen, die die Traumphase unterdrücken. Normalerweise hat jeder 15-20% REM-Phase-Anteil innerhalb eines Schlafzyklus. Ob wir uns daran erinnern, kommt auf die Phase an, in der wir aufwachen.

Was ist Ihre Meinung zum Power-Nap während des Tages?

An sich super. Es wäre am besten, ihn regelmäßig zu einer ähnlichen Zeit in einer ähnlichen Umgebung einzulegen. Bei Schlafstörungen würde ich ihn allerdings nicht empfehlen, weil man den Schlafdruck am Abend benötigt.

Die Aufzeichnung des gesamten Vortrags inklusive der Q&A Session steht den Windhund 365 Kunden auf der Eventumgebung 30 Tage lang zur Verfügung.

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