Sven Hannawald

Skisprung-Legende, Olympiasieger

Sven Hannawald gewann 2002 als erster Skispringer alle vier Springen der Vierschanzentournee (Grand Slam). Er war vierfacher Weltmeister, Olympiasieger im Team und Deutschlands Sportler des Jahres. Doch das Ausnahmetalent konnte seinem eigenen Erfolgsdruck nicht standhalten. 2005 beendete er seine Karriere, nachdem er an Burnout erkrankte. Seine Leidenschaft Motorsport half ihm zurück ins Leben, als Rennfahrer stand er wieder auf dem Podium.

Sven Hannawald gewann 2002 als erster Skispringer alle vier Springen der Vierschanzentournee (Grand Slam). Er war vierfacher Weltmeister, Olympiasieger im Team und Deutschlands Sportler des Jahres. Doch das Ausnahmetalent konnte seinem eigenen Erfolgsdruck nicht standhalten. 2005 beendete er seine Karriere, nachdem er an Burnout erkrankte. Seine Leidenschaft Motorsport half ihm zurück ins Leben, als Rennfahrer stand er wieder auf dem Podium.

Im inspirierenden Talk "4 GEWINNT" erläutert Sven Hannawald seinen persönlichen Weg vom Höhenflug seiner Karriere bis hin zum schweren Absturz durch ein Burnout und wie ihm von dort aus das Comeback mit Balance gelungen ist. So viel sei verraten: ein neues Gleichgewicht zwischen High Performance und Erholung war förderlich. Der Wert des mentalen Fokus und der Ruhezeiten sei maßgeblich für die Maximierung von Leistung und die Entfaltung von Potenzial.

Die Anfänge der Karriere

Sven Hannawald betont seine Dankbarkeit für die Gegebenheiten im Erzgebirge in der ehemaligen DDR, die ihm eine Skisprungkarriere ermöglichten. Sein Weg begann, als sich ihm als Kind die Möglichkeit bot, das Skispringen auszuprobieren. Er zeigte sich schnell lernbereit und konnte die Anweisungen seines Trainers direkt umsetzen. Von Anfang an fühlte er sich zum Skispringen hingezogen und erkannte sein Talent sowie sein Feingefühl für Aerodynamik. Sein Ehrgeiz und Perfektionismus waren schon in jungen Jahren spürbar – er litt unter dem Druck, immer perfekt zu sein und war enttäuscht, wenn er seine Fähigkeiten nicht voll ausschöpfen konnte. Besonders fasziniert war er vom magischen Moment des Skifliegens. Obwohl Sprünge auch ein mulmiges Gefühl verursachten, entwickelte er viel Vertrauen und Übung, um seine Fähigkeiten zu perfektionieren. Schon früh erkannte er, dass Skispringen nicht nur ein Sport ist, sondern auch ein Wettkampf gegen sich selbst und die eigenen Grenzen.

Umbruch: Der Fall der Mauer

Einen entscheidenden Umbruch erlebte Hannawald zu seinem 15. Geburtstag am 9. November 1989, dem Tag, an dem die Mauer fiel. Sein Vater hatte bereits eine Vorahnung, dass es im Osten schwieriger werden könnte, seine sportliche Karriere zu verfolgen.

Mit 12 Jahren, noch in der DDR, wurde Hannawald in die Kinder- und Jugendsportschule aufgenommen, wo er wochentags von seinen Eltern getrennt war – ein Umstand, der ihm wie auch vielen anderen Kindern dort Heimweh bereitete. Trotzdem spürte er, dass dieser Schritt ihn voranbringen könnte. In dieser Schule wurden Kinder in allen sportlichen Bereichen gemessen und Staturen analysiert; wer den Normen nicht entsprach, wurde gewissermaßen „aussortiert“, denn man wusste, dass die Leistungen nur bis zu einem bestimmten Punkt erbracht werden könnten.

Der Mauerfall markierte eine neue Ära. Die Tagesschau des Ostens verkündete um 20 Uhr: "Ab heute sind die Grenzen offen". Innerhalb von 2-3 Monaten zeigte sich dann, dass das System allmählich zusammenbrach. Trainer begannen sich Gedanken darüber zu machen, was aus ihnen und ihren Schützlingen werde. Sven Hannawalds Vater hatte bereits zuvor überlegt, wo sein Sohn seine sportliche Zukunft verfolgen könnte. Zwei Optionen standen zur Auswahl: Berchtesgaden für ein Studium oder das Skiinternat in Furtwangen im Schwarzwald für eine Berufsausbildung zum Kommunikationselektriker. Hannawald entschied sich für letzteres, wo er sich in einem neuen System weiterentwickeln konnte.

Sein Vater behielt auf jeden Fall Recht, dass sich die Fortsetzung der Karriere im Osten schwierig gestaltet hätte. Denn viele begabte Sportler fielen aufgrund des Zusammenbruchs des Systems durch den Rost und hatten damit keine Möglichkeit, eine erfolgreiche Karriere zu starten.

Aufstieg zur Weltspitze

Sven Hannawalds Aufstieg zur Weltspitze begann im Schwarzwald, wo er Teil einer Sportfördergruppe wurde. Dort widmete er sich intensiv dem Training, doch im Gegensatz zu seiner Jugendzeit erkundete er auch, was das neue liberalere Deutschland zu bieten hatte.

Im Jahr 1997, nach der Saison 1996/97, stand eine entscheidende Kaderplanung bevor. Viele waren der Meinung, dass Hannawald nicht mehr aufgebaut werden könne und dass er zu alt sei, um weiterhin anzutreten. Denn obwohl er gute Leistungen erbrachte und eine Tendenz nach oben zeigte, hielt man das Potenzial, das es auszuschöpfen galt, bei jüngeren Kandidaten für größer. Der damalige Trainer aber setzte sich als sein einziger Befürworter für eine weitere Chance ein.

Nachdem ihm diese Chance zugesichert wurde, genehmigte er sich selbst keine Freiheiten mehr. Sein Ehrgeiz stieg noch mehr. Er wollte beweisen, dass er es immer noch konnte. Die Drohung, fast aus dem Team geschmissen zu werden, spornte ihn an, sodass er auf einem hervorragenden Niveau „funktionierte“.

Leistungsabruf auf den Punkt

Als große Stärke von sich sieht Hannawald, dass er nicht hektisch ist, sondern schon immer eine gewisse Ruhe in sich trug. „Wenn ich in meiner Materie bin und das Gefühl habe, ich bin auf dem richtigen Weg, dann bin ich eins mit der Aufgabe und lasse mich nicht abbringen. Dieses Gefühl braucht es am Ende, um dort zu funktionieren, wo viel Erwartungsdruck herrscht. Es geht darum, einfach bei sich zu bleiben.“

Die 4 Springen der Vierschanzentournee – Grand Slam

Um die Vierschanzentournee herrscht vermutlich deshalb so ein Mythos, weil auch in hektischen und schnellen Zeiten die Familie in der Weihnachtszeit, in der die Tournee stattfindet, zusammenkommt. Mittlerweile gibt es immer mehr Sportarten, die sich an dieses Zeitfenster klemmen, aber damals war es nur bei den Skispringern so. Die Tournee hat einen riesigen Stellenwert. Hannawald bewertet aus diesem Grund die Tournee als seinen größten Erfolg, weil sie sich über zehn Tage erstreckt und nicht nur eine Einzelleistung erbracht werden muss. Dabei geht es nicht um die Schanzen an sich, sondern um den Kontext (verschiedene Hotels, Locations, Fans). So gelingt es einem nie, in den Ruhefokus zu kommen, was eine große Herausforderung darstelle. Das kontinuierliche Funktionieren über die zehn Tage hinweg sei das, was einen letztendlich ruiniere. „Von Station zu Station, die du gewonnen hast, rennt dir jede/r hinterher, um ein Foto oder Bewegbild zu erhalten, das in die Ewigkeit eingehen soll.“

Es gibt die Statistik, dass es relativ wenigen Favoriten gelingt, den Grand Slam tatsächlich zu gewinnen. Das sei nur einleuchtend, weil jene unter Dauerstrom ständen. Wenn man nie abschalten kann, dann funktioniert man nicht mehr.

Beim dritten Springen in Innsbruck empfand Hannawald den Qualifikationstag und den Wettkampf an sich besonders schwierig, weil er sich vom Kopf her nicht mehr lösen konnte, was sehr am Akku gezehrt habe. Doch obwohl er seiner Wahrnehmung nach damals körperlich am Ende war, hat er auch das letzte Springen in Bischofshofen gewonnen. Trotz aller Euphorie drehten sich seine damaligen Gedanken nur um das langersehnte Ende: „Es ist mir egal, Hauptsache das Theater ist endlich vorbei“.

Innerliches Empfinden

„Beim letzten Sieg in Bischofshofen war die Anspannung endlich gelöst, es war ein sehr befreiendes Gefühl! Ich lehnte mich auf den Stehtisch und konnte eigentlich gar nicht mehr, weil ich platt war, aber hatte doch ein leichtes Schmunzeln im Gesicht, weil ich den Traum des kleinen Svens verwirklichen konnte.“

Sven Hannawald war am Ziel all seiner Träume. Doch auf die Frage, ob er damals der glücklichste Mensch gewesen sei, konnte er nicht überzeugt reagieren. Sportlich sei er zwar am Höhepunkt gewesen und habe sich erfüllt gefühlt, doch das harte Arbeiten dafür fiel zunehmend schwerer. Disziplin. Konsequenz. Beständigkeit. Man muss stetig am Ball bleiben. Plötzlich wurden Trainingseinheiten für Hannawald mühsamer. Durch Urlaube und temporäre Auszeiten habe er kein positives Feedback mehr bekommen und bald darauf konsultierte er diverse Ärzte. Pfeiffersches Drüsenfieber lautete die Diagnose. Doch während die Symptome an sich dieser Diagnose entsprachen, konnte sich Hannawald immer noch nicht die Schwere in seinem Körper und die mentale Erschöpfung erklären. Ernährungsumstellung, Regenerationstraining und andere derartige Ansätze wurden vorgeschlagen, doch niemand suchte die Ursache im Kopf.

„Zwei Jahre nach dem 4 Schanzen-Wunder kam ich dann an den gleichen Punkt und habe bemerkt, dass es keinen Wert hat. Ich beschimpfe mich selbst, weil ich nicht zufrieden mit meiner Leistung bin.“ Hannawald durfte aussteigen und ist daraufhin im Urlaub mit der Freundin vollkommen zusammengebrochen. Endlich wurde die Ursache gefunden – Diagnose: Burnout. Für Hannawald war klar, dass er alles dafür tun würde, um seine innere Unruhe zu beseitigen, weshalb er sich auf Anraten eines Arztes in eine Klinik begab. Nachdem beim Versuch, das Skispringen weiter zu verfolgen, die Unruhe immer wieder aufkam, hat Hannawald letztendlich beschlossen, seinem Körper das Vertrauen zu geben, auf ihn zu achten und ihn nicht zu überfordern.

„Ich habe mich von meinem Gefühl leiten lassen. Am Ende hat es funktioniert. Das Gefühl, das schon zwei Jahre vor meinem Zusammenbruch nach Ruhe verlangt hat, habe ich ignoriert, weil es vom Kopf her notwendig war, um Weltmeister zu werden. Die körperliche Stimme signalisierte klar, dass es zu viel war, aber nur indem ich sie ignorierte, konnte ich meine Ziele erreichen. In der Klinik habe ich dann aber gelernt, immer hineinzuspüren, ob es auch für meinen Körper in Ordnung geht.“

Die innere Stimme ist maßgeblich. Erfolg und Disziplin sind zwar wichtig im Leben, aber trotz allem ist es wichtig, die innere Stimme zu hören und sich von ihr leiten zu lassen. Viele Menschen denken nur rechts und links und sehen nur, was andere machen, anstatt sich auf sich zu fokussieren. Wir alle sollten mehr auf unser Gefühl vertrauen.

Trennung von Arbeit und Privatleben

Sven Hannawald betont, dass er, wenn er eine Sache hinsichtlich seiner Karriere ändern könnte, klar zwischen Arbeit und Privatleben trennen würde. In der heutigen Zeit sind wir alle nur noch kopfgesteuert: Beruf, Social Media, … alle arbeiten ständig Erledigungen ab. Doch in gewissen Abständen braucht man Zeit für sich und die sollte man sich auch ohne schlechtes Gewissen nehmen. Egal ob körperliche oder geistige Tätigkeit – sie kostet uns Energie und stellt damit eine Belastung für den Körper dar. Es gilt klare Grenzen zu ziehen und wenn jemand sagt, er schafft die letzte E-Mail nicht mehr, dann sollte man das auch akzeptieren bzw. dieses Gefühl auch bei sich selbst zulassen.

Wir haben vom geistigen Arbeiten keinen Muskelkater und sehen daher die Überlastung nicht so deutlich, sodass wir sie viel zu oft nicht ernst nehmen. Das kann häufig in eine Depression münden.

"4 gewinnt! Erfolg in Balance"

Dies ist eine Kern-Botschaft von Sven Hannawald und zwar nicht auf seine Vierschanzen-Tournee bezogen, sondern auf die tägliche Lebensbewältigung.

  1. Gesundheit (Mut zur Pause):
    körperlich und mental gesund für Erfolg und mehr Leistung!
  2. Familie (und Freunde):
    Erfolg ist Teamwork mit all denen, die einen immer unterstützen 
  3. Beruf (unsere tägliche Aufgabe als Mitarbeiter, Führungskraft, Unternehmer, u.a.)
  4. Hobby (aktive Erholung, Sport, nicht nur rumliegen, Neues probieren): Balance!

FAQ - Eure Fragen

Würde sich Herr Hannawald heute noch zutrauen, zu springen?

Ich weiß, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich vertraue dem nicht mehr. Der Kopf befindet sich noch in einer anderen Welt, aber der Körper ist nicht mehr dort. Das, was ich mental abgespeichert habe, könnte ich so nicht mehr realisieren, wodurch ich frustriert wäre. Daher lass‘ ich es gleich. Wenn man konstant trainiert, würde es gehen, nach einer Pause aber nicht mehr und das ist auch gut so.

 

Geht körperlicher Fitness einher mit mentaler Stärke?

Am Ende des Tages entscheidet das Mentale. Es muss vieles vom Kopf gesteuert stattfinden. Eigentlich wäre ein mentales Training bei körperlichem Training unabdingbar. Die Grundvoraussetzung, die Körperlichkeit, muss aber natürlich trotzdem funktionieren. Letztendlich muss man diese körperliche Leistung dann aber abrufen können und das ist der mentale Aspekt.

 

Wie kann man KollegInnen, Freunde oder Familienmitglieder, die in einem Burnout stecken bzw. Tendenzen dazu erkennbar sind, unterstützen?

Es ist unglaublich schwer, Betroffene aus dieser Situation rauszuholen, weil sie immer das Gefühl haben, zu verlieren. Oft haben sie selbst Strategien und glauben, es selbst regeln zu können. Das ist aber meistens nur eine Illusion. Am besten ist es, das Gespräch strategisch auf das Thema zu lenken, um eine direkte Konfrontation zu vermeiden. Man sollte immer wieder versuchen, Bewusstsein beim Gegenüber zu schaffen, sodass selbst erkannt wird, dass Handlungsbedarf herrscht. Es hilft Betroffenen aber zu sehen, dass auch andere betroffen sind. Das vermittelt, dass es einen Ausweg gibt und man damit nicht allein ist.

 

Was machst du heute?

Ich werde im November 50. Das Alter ist zwar nur eine Zahl, aber man merkt schon, dass sich der Körper verändert. Ich liebe trotzdem immer noch die Bewegung. Wenn ich meine Familie länger nicht gesehen habe, nehme ich mir allerdings auch Zeit für sie. Wiederum versuche ich auch hier die Balance zu finden, indem ich meine Familie priorisiere und meinem Körper trotzdem Reize setze und fit bleibe. Das Natürliche leben – am besten mit den liebsten Menschen!

 

Die Aufzeichnung des gesamten Vortrags inklusive der Q&A Session steht den bei Windhund 365 teilnehmenden Unternehmen auf der Eventumgebung 30 Tage lang zur Verfügung.

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