Thomas Huber

Extrembergsteiger

Thomas Huber, staatlich geprüfter Berg- und Schiführer und der ältere der beiden Huberbuam lebt für seine Leidenschaft, das Bergsteigen. Gemeinsam mit seinem Bruder Alexander gehört er zu einer der erfolgreichsten Seilschaften unserer Zeit.

Aufstieg und Fall, Rückschläge und Erfolge. Thomas hat alles am Berg erleben dürfen. Sein Kämpferherz hat gelernt, dass in den verrückten vertikalen Visionen die Niederlage zugelassen werden muss, um den Schlüssel zum Erfolg zu finden.

Warum sich Risiko und Anstrengung lohnt …

Was ist am Bergsteigen gesund? Man muss sich körperlich zu Höchstleistungen quälen und es besteht hohe Lebensgefahr durch eiskalte Temperaturen (-25 Grad) und Absturzrisiko. Kann das denn wirklich so gesund sein?

Huber bejaht diese Frage entschlossen. All die Strapazen, die man auf sich nimmt, sind die Belohnung wert, die einen am Ziel erwartet: ein Moment, ein Glücksgefühl. Das Gefühl, Teil der Natur zu sein, und das daraus resultierende Gefühl der Demut sowie Einsamkeit, Morgenlicht und dünne Luft können Sprachlosigkeit hervorrufen. Das Leben im Hier und Jetzt, das Leben für einen Moment sei alle Mühe wert.

Die weiterhin bestehende Gefahr erscheint nicht mehr so bedrohlich, wenn man sich vor Augen führt, dass das Leben insgesamt unsicher ist – das sei das einzig Sichere. Der Tod ist ein launiger Geselle, der einen nicht davon abhalten soll, sein Leben mit Freude zu bereichern. Die wahre Gefahr besteht hingegen darin, zu glauben, man habe alles im Griff. Dann übernimmt der Hochmut die Kontrolle. Huber musste dies selbst erfahren, als er 16 Meter von seinem Hausberg abstürzte.

Vielleicht sollten wir das auch auf unseren Alltag ummünzen, indem wir uns unserer eigenen Kompetenz und unserer Unterstützung von außen nicht stets sicher sind und sie als selbstverständlich ansehen. Viel eher sollten wir bewusst handeln, uns unserer Fähigkeit bewusst sein, aber auch unserer Menschlichkeit und Fehlbarkeit.

Erfolgsrezept

Für Erfolg bedarf es einerseits Talent. Dieses muss jedoch auch erkannt und trainiert werden. Dabei ist es wichtig, auf den Rat und die Meinung anderer zu hören und sich auch einmal helfen zu lassen. Ein guter Partner ist dabei wesentlich. Der größte Fehler ist es, zu glauben, alles allein bewältigen zu können. Gemeinsam und mit viel Mut kann Unmögliches geschafft werden! Das soll auch unser Zugang bei der Klimakrise sein. Denn Ziele werden erreicht, wenn man mutig genug war, den ersten Schritt zu gehen – am Berg als auch im Leben im Tal. Der Berg ist die Metapher für das Leben und wenn wir nicht die ersten Schritte setzen, werden wir weder den Berg erklimmen noch ein Leben, wie wir es kennen, erhalten können.

Erfolg ist also Zusammenarbeit. Erfolg ist aber auch Anpassungsfähigkeit. Obwohl unsere Freiheit in der Pandemie stark eingeschränkt schien, können immer neue Wege gefunden werden. So wie die Huber-Brüder zu Hause an den Bergen neue Linien entdeckt haben, so können auch wir in unserem gegenwärtigen Leben neue Perspektiven und Möglichkeiten entdecken und damit unseren Horizont erweitern. Die Linien am Berg bilden eine Analogie für die Betrachtungen im Leben – beide können uns beeindruckende Standpunkte bieten.

Scheitern

Anstatt jedoch, wie so oft, nur über Erfolg zu reden, soll auch das Scheitern thematisiert werden, das eine wesentliche Rolle für Erfolg einnehmen kann. Die Huber-Brüder strebten an, den Yosemite Valley in Kalifornien in Rekordzeit zu durchsteigen, sind daran jedoch mehrmals gescheitert, worüber auch der Kinofilm „Am Limit“ gedreht wurde. Einige Zeit später, gelang es ihnen, ihr Ziel doch noch zu erreichen. Auch wenn man alles für sein Ziel gibt und jeden Schritt bewusst setzt, so muss man sich manchmal eingestehen, dass es besser ist, dem Berg (bzw. einer Aufgabe oder Tätigkeit) den Rücken zuzukehren, nämlich dann, wenn einem die Natur lehrt, dass dieser eben nicht DEIN Weg ist. Die Natur weist uns Grenzen auf. Sie bestimmt, wie weit wir gehen können und „Das Können ist des Dürfens Maß“ (Paul Preuß).

Das Glück im Moment

Wie können wir letztendlich im Jetzt leben und das Glück im Moment finden? Huber sieht die Erreichung absoluten Glücks darin, den Spiegel des eigenen Egos zu zertrümmern. Denn so können wir erst die wahre Schönheit des Berges bzw. des Lebens und der Momente in ihrer vollen Entfaltung wahrnehmen. Denn es ist nicht der Berg, den man bezwingt, sondern immer nur das eigene Ich! Wir als Personen müssen uns manchmal selbst aus dem Zentrum nehmen, um den Blick für das Schöne um uns herum zu schärfen. Jedem Moment wohnt eine Magie inne, die man nur annehmen muss, um ihn zu verstehen und im Jetzt zu leben.

Hubers Leidenschaft für die Berge ist groß. Sie sind wunderbar und unfassbar schön, aber wenn man nicht mehr am Leben ist, dann existieren auch die Berge nicht mehr. Wenn man auf sein Leben achtet und gesund ist, kann man tun und lassen, was man möchte und den Weg gehen, den man will. Es ist wichtig zu wissen, dass der Gipfel nicht oben ist, sondern an dem Punkt, an dem man unten in Sicherheit angekommen ist.

Eure Fragen

Warum sterben denn dann trotzdem so viele Top-Bergsteiger?

Weil wir geboren werden, um zu sterben. Das Leben ist endlich mit all dem, was man tut, und weil das Bergsteigen so spektakulär und sehr plakativ und gefährlich ist, ist es ein sehr mediales Thema. Wenn man im Fokus und im Moment ist, spürt man die Gefahr und weiß, wie weit man gehen kann und darf.  Fehler können trotzdem passieren.

Wie wichtig ist dir das Vertrauen und die Seilschaft mit deinem Bruder?

Unglaublich. Es ist die Basis für alles. Alexander kennt meine Schwächen und meine Stärken und so funktionieren wir als Team unglaublich effizient und perfekt.

Siehst du da auch Parallelen zum Beruf und glaubst du, dass dieses Vertrauen, das ihr untereinander habt, auch im Beruf erforderlich ist, um erfolgreich zu sein?

Ich glaube, erfolgreich ist man weniger dann, wenn man seine Stärken ausübt, sondern eher, wenn man seine Schwächen kennt. Auch einmal Kompetenzen abzugeben und anderen Aufgaben zu überlassen, die in einem gewissen Gebiet besser sind, ist eine wesentliche Stärke, um als Team effizient zu arbeiten. Wir müssen den Spiegel des Egos zerschlagen, um die eigentliche Aufgabe zu sehen.

Hattest du jemals eine depressive Phase in deinem Leben?

Ich nicht, aber Alexander hatte einmal eine Angsterkrankung (Buch: „Angst mein bester Freund“ – Alexander Huber). Angst soll nicht stigmatisiert werden und man soll ihr auch positiv begegnen. Mit professioneller Hilfe hat er aber wieder Spaß daran gefunden, was er tut. Es ist gut, immer wieder mal kleine Krisen zu erleben, um besser mit einem Fall umgehen zu können. Nur im Tal weiß man, wie großartig die Berge sind. Nur dann hat man auch die Motivation, wieder hochzukommen, und wird zum krisensicheren Kämpfer.

Sie haben ihre Berufung zum Beruf gemacht – eine kostbare und seltene Ausnahme! Was können Menschen tun, bei denen das nicht so ist? Wie kann man sich im beruflichen Alltag motivieren?

Freiräume schaffen, um Qualitätszeit zu erarbeiten und diese im Jetzt zu genießen! Das gibt einem Energie, um in die Arbeit zu gehen und dort auch gut zu sein.

Was hat dir Energie gegeben nach deinem Sturz und dich angetrieben, wieder weiterzumachen?

Dass ich ein Kämpfer bin. Ich habe den Gipfel gesehen, wieder gesund zu werden, aber die größte Energie ist, sich an jedem kleinen Schritt der Besserung zu erfreuen. Die kleinen Heilungsschritte motivieren, wieder ganz nach oben zu kommen.

Treten deine Kinder in deine Fußstapfen? Oder haben sie andere Pläne und Ziele?

Ich habe versucht, ihnen dieselben Möglichkeiten zu bieten, die ich selbst erhalten habe. Ich habe die Türen geöffnet, aber sie nie gedrängt. Der Älteste ist bei der Bundespolizei tätig und in der Nationalmannschaft als Snowboarder, der Mittlere ist Bildhauer und Radfahrer, unsere Tochter war früher eine sehr gute Kletterin, aktuell ist sie aber 16 Jahre und gerade weniger daran interessiert. Sie wird aber bestimmt ihren Weg finden und braucht nicht meinen zu gehen.

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